Hilfe!
Der Auftrag muss bis Mittwoch fertig sein, drei Kunden und ein Geschäftspartner erwarten Ihren Rückruf bis Feierabend und irgendwie wollten Sie ja auch noch alle Texte Ihrer Webseite überarbeiten und eine Pressemitteilung vorbereiten. Und über allem hängt das Thema „Umsatzsteigerung“ und die Verbesserung Ihres Marketings. Puh!
Wir alle wollen mitunter tausend Dinge auf einmal tun, doch im Endeffekt machen wir gar nichts. Null. Nada. Niente.
Überforderung. Lähmung.
Und jetzt komm ich auch noch mit dem Thema „kontinuierlicher Verbesserungsprozess“. Aber lassen Sie sich von diesem unsexy Begriff nicht abschrecken.
Im Folgenden lernen Sie eine kleine Änderung Ihrer Denkweise kennen, die die Kraft hat, Ihre Sichtweise zu wandeln und Sie produktiver macht.
Das Ganze hat mit japanischer Philosophie und mit (*grusel, grusel*) Zinsrechnung zu tun.
Das Prinzip des Kaizen stammt aus der japanischen Philosophie und hat mittlerweile auch als „kontinuierlicher Verbesserungsprozess“ in der westlichen Managementtheorie Einzug gefunden.
Der Begriff leitet sich von Veränderung (Kai) zum Besseren (Zen) her.
Moment mal! Wir reden hier darüber, wie wir Dinge, die uns überfordern, erledigt bekommen. Und das soll durch stetiges Tun und Machen passieren?
Ja. Und ich erzähle Ihnen auch, wie das funktionieren kann.
Lassen Sie mich eine kurze Geschichte erzählen:
Als ich schwimmen lernte, ging ich häufig mit meiner Oma ins Schwimmbad.
Mühevoll versuchte ich, mich über Wasser zu halten und war bereits nach 20 Sekunden erschöpft. Das lag vermutlich daran, dass ich wie ein hyperaktiver Hundewelpen mit Armen und Beinen strampelte. Ich wollte zu viel auf einmal. Wollte schwimmen wie die Erwachsenen und hätte gerne mit meiner Oma ein Wettschwimmen veranstaltet. Doch ich schluckte im Endeffekt nur Wasser.
Da war es unvermeidlich, dass meine Oma, die als Sprichwort-Junkie für jede Situation den passenden (und häufiger noch den völlig unpassenden) Spruch parat hat, mir immer wieder sagte: „Langsam kommt man auch ans Ziel.“
Das Problem: Sie hatte recht. Denn abgesehen davon, dass es ihr beim Schwimmbadbesuch hauptsächlich darum geht, mit ihren Bekannten einen Plausch im Wasser zu halten, kann sie vor allem eines: unglaublich lange ohne Pause schwimmen.
Sie schwimmt langsam und bedächtig, aber ich glaube, sie könnte sich Stunden im Wasser in Bewegung halten.
Wie können wir uns diese einfache Sichtweise im Beruf zunutze machen?
Kaizen heißt zwar stetige Verbesserung, aber auch Verbesserung in kleinen Schritten. Denn (nur) diese sind umsetzbar.
Ein Beispiel:
Als Texter habe ich vor allem einen Feind, ein Schreckgespenst, vor dem ich mich hin und wieder fürchte: Die Schreibblockade.
Auch sie beruht auf Überforderung, auf der Angst, dass die Aufgabe zu groß ist. Ich soll einen Artikel mit 8000 Wörtern schreiben? Der Cursor blinkt. Und blinkt. Und blinkt. Und der Christian schreibt letztendlich gar nichts. Meh.
Ein Mittel, die Schreibblockade zu umgehen, ist es, täglich eine kleine Anzahl an Wörtern zu schreiben. Sonia Simone von Copyblogger rät zum Beispiel an einem großen Projekt nur 50 Wörter am Tag zu schreiben. Das aber durchzuziehen.
Der Clou: 50 Wörter am Tag zu schreiben, ist machbar. Mehr als das. Eigentlich ist es lächerlich. Und deshalb ist es umsetzbar und schreckt uns nicht ab. Wir TUN also etwas, sind nicht gelähmt. 50 Wörter sind immer noch (äh, Moment … 2 im Sinn …) 50 Wörter mehr als 0!
Clou número dos: Wenn wir dabei sind, 50 Wörter zu schreiben, bleibt es meist nicht dabei. Aus 50 werden 100 werden 200 usw. Es bringt die Dinge in Fluss. Das motiviert umso mehr, denn unser eigentliches Ziel von 50 haben wir nicht nur erreicht, sondern weit übertroffen.
Das Beispiel mit der Schreibblockade gilt für alle Bereiche.
Zerlegen Sie riesige Aufgaben in kleine Ziele. Dabei sollten Ihre Ziele folgendes sein:
Wenn Sie einen Fantasy-Roman schreiben wollen, ist es nicht realistisch, davon auszugehen, innerhalb der nächsten 5 Tage damit fertig zu sein.
Es ist auch nicht sinnvoll zu sagen: Ich möchte jeden Tag viel schreiben. Was ist viel? Viel ist nichts! Seien Sie konkret: Ich möchte am Tag 500 Wörter schreiben. Wenn es mehr werden: Prima! Wenn es weniger sind, auch nicht schlimm. Sie haben sich aber immerhin hingesetzt und Ihr konkretes Ziel verfolgt.
„Ich will ein Buch schreiben, dass so gut ist, wie Herr der Ringe.“ Aha. Abgesehen davon, dass es natürlich sehr ambitioniert wäre, dem Klassiker der Fantasy-Literatur Konkurrenz machen zu wollen, ist „so gut wie“ höchst subjektiv.
Vor allem in welchen Bereichen „gut“? Um es messbar zu machen, beschränken Sie sich zunächst auf die Wortzahl. Wenn es um die Qualität geht, überarbeiten Sie in einem Arbeitsschritt die Adjektive. Eliminieren Sie in einem nächsten Schritt die passiven Verben und so weiter.
Ein langwieriger Prozess? Durchaus. Jedoch ein umsetzbarer, denn er ermöglicht es uns, überhaupt aktiv zu werden. Aktivität ist das Herz eines Unternehmens, vor allem des Marketings.
Ich gestehe: Ich hab’s nicht so mit Zahlen.
Mathematik und ich … nun ja, man muss nicht alles mögen.
Nichtsdestoweniger kann uns folgendes Zahlenexperiment die Angst vor großen, einschüchternden Projekten nehmen. Außerdem ist es einfachste Zinsrechnung, also alles im grünen Bereich.
Das Beispiel ist ein wenig theoretisch, aber folgen Sie mir ruhig. Es lohnt sich.
Nehmen wir einen Bereich aus Ihrem Berufsleben, den Sie verbessern möchten. Sagen wir, es geht um das Marketing.
Gehen wir weiter davon aus, dass Sie mit Ihrer derzeitig aufgewendeten Energie für Marketing eine „Marketingqualität“ von 100 erreichen. (Noch einmal: Das ist nur ein Gedankenexperiment. Und irgendwie müssen wir ja die Qualität in Zahlen ausdrücken.)
Ihre derzeitige Marketingqualität beträgt also 100.
Da es bei Ihnen nicht so recht läuft, komme ich als Berater in Ihr Unternehmen. Wir finden heraus, dass Sie doppelt so viele Kunden brauchen, damit Ihr Unternehmen profitabel wird. Das bedeutet – um bei den Zahlen zu bleiben – Sie müssen Ihre Marketingqualität von 100 auf 200 erhöhen.
Verdoppeln. Klingt sehr viel. Ist es auch.
Das könnte unter Umständen, wie oben angedeutet, dazu führen, dass Sie im Endeffekt rein gar nichts tun. Denn eine Steigerung der Qualität um 100 Prozent (Hallo-ho?! Das Doppelte!) scheint absolut unmöglich umsetzbar:
Wie sieht es jedoch aus, wenn ich Ihnen vorschlage, dass Sie Ihr Marketing in einem ersten Schritt nur um 1 Prozent verbessern? Das klingt doch einfacher. Und umsetzbarer.
Spinnen wir das Gedankenexperiment weiter.
Wenn Sie es schaffen und Ihre Marketingqualität um 1 Prozent verbessert haben, liegt sie also bei 101.
Jetzt wäre doch mit Sicherheit eine weitere Steigerung möglich. Auch hier wieder: nicht viel. Nur 1 Prozent.
Das bedeutet, nach dem 2. Schritt liegt unsere Marketingqualität bereits bei 102,01.
Wir befinden uns zugegebenermaßen noch weit von unserem Ziel, der 200, entfernt. Wenn wir jedoch diese kleine prozentuale Verbesserung kontinuierlich durchführen (und das ist machbar, richtig? Irgendwo können wir doch immer eine einprozentige Verbesserung umsetzen …), benötigen wir insgesamt nur 71 Schritte. Dann liegt der Wert erstmals über 200. Wenn wir das jeden Tag hinbekämen, hätten wir also innerhalb von zweieinhalb Monaten unser Marketing doppelt so wirksam gemacht.
Und die Tatsache, dass meine Oma schon damals beim Schwimmen mit Ihrem „Langsam kommt man auch ans Ziel“ recht hatte, gilt auch für die Verbesserungen in unserem Unternehmen. Vieles muss nicht von jetzt auf gleich passieren.
Deshalb ist es so wichtig, konstant an Verbesserungen zu arbeiten.
Was sich wie ein Burnout-Garant anhört, ist eigentlich das genaue Gegenteil. Durch stetige, kleine (!), umsetzbare (!) Verbesserungen vermeiden wir Lähmung. Und damit einhergehend Überforderung.
Sind wir realistisch: Wir können unser Unternehmen nicht jeden Tag verbessern. Auch nicht um nur 1 Prozent. Wir sollten es jedoch versuchen. Denn gerade am Anfang sind Änderungen von weit mehr als 1 Prozent möglich.
In seinem Artikel „Marginal Gains“ greift James Clear das Beispiel von Dave Brailsford auf. Dieser übernahm 2010 das Training des Radsportteams „Team Sky“ aus Manchester.
Keinem britischen Team war es bis dahin gelungen, den Sieger der Tour de France zu stellen. Ist ja auch eine nicht gerade einfache Aufgabe.
Also verbesserte Brailsford zunächst die offensichtlichen Dinge: Er optimierte die Essens- und Trainingspläne, das Gewicht der Fahrradreifen usw.
Jedoch – und das ist das Besondere – begann er auch scheinbar unwichtige Kleinigkeiten zu verändern. Er suchte das passende Kopfkissen, um den Schlaf seiner Athleten zu verbessern.
Er initiierte Hygiene-Workshops, um Infektionen erfolgreicher entgegenwirken zu können. Kleinigkeiten eben, ja.
Sie suchten nach stetiger 1-prozentiger Verbesserung in allen möglichen Bereichen. Und so wollte Brailsford sein Team innerhalb von 5 Jahren auf den Tour-de-France-Sieg vorbereiten.
Ta-daa! Es ging noch schneller: Sir Bradley Wiggins vom Team Sky war 2012 der erste britische Fahrradfahrer, der die Tour de France gewinnen konnte. Im selben Jahr dominierte das britische Olympia-Radteam, das von Brailsford gecoacht wurde, die olymischen Spiele. 2013 stellte das Team Sky mit Chris Froome erneut den Tour-de-France-Sieger. Nicht schlecht, was?
Welchen Anteil daran die kleinen Mini-Veränderungen hatten, ist nicht nachzuprüfen.
Fest steht jedoch, dass ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess auch einen Einfluss auf die Motivation hat. Das tägliche erfolgreiche Erledigen von Aufgaben, die kleinen Verbesserungen schaffen Aktivität und bringen uns in Fluss.
Fassen wir zusammen: Das ist alles keine Gehirn-Chirurgie.
Vieles davon haben wir schon einmal gehört.
Die Frage ist nur: Setzen wir es auch um? TUN wir tatsächlich etwas?
Hier also noch einmal der Aufruf:
Schauen Sie, in welchen Bereichen Sie Ihr Unternehmen verbessern können. Das muss nicht einmal ein Kernbereich sein.
Überarbeiten Sie Ihre Webseite und ersetzen die großen Bilder durch kleinere. Das verringert die Ladezeiten. Sicher: Dadurch wird bei Ihnen nicht umgehend der Reichtum ausbrechen, aber auf lange Sicht verbessert das die Nutzererfahrung auf Ihrer Webseite, was Ihnen dann zugute kommt. Langfristig.
Sie möchten bessere Texte?
Überarbeiten Sie sie schrittweise, nicht auf einmal:
Auch hier: Sie brauchen Ausdauer. Nicht einmal das schnellste Auto kann von 0 auf 100 km/h springen. Es muss beschleunigen. Und genau das erreichen Sie mit Kaizen.
Finden Sie Ihren Rhythmus.
Bleiben Sie am Ball.
Entdecken Sie neue Facetten an Ihrer Tätigkeit.
Nehmen Sie den kontinuierlichen Verbesserungsprozess an.
Seien Sie im Fluss.
Jetzt und in Zukunft.
Herzlichst,
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Mein Name ist Christian Krauß. Ich bin Texter, Lektor und Kommunikationsliebhaber. Ich unterstütze Unternehmen bei Ihrer Kommunikation mit dem Kunden. Ganz gleich, ob Webseiten, überzeugende Texte oder ansprechend gestaltete Werbemittel: Gutes Marketing ist kein Privileg großer Betriebe. Wenn man sie entsprechend gestaltet, ist gute Kommunikation einfach, überzeugend und bezahlbar. Und sie macht Spaß!