Wer gute Werbetexte will, hat 2 Möglichkeiten:
Entweder er zahlt jemanden dafür, diese Arbeit zu übernehmen (kostet Geld, ist aber wenig Arbeit). Oder er lernt, wie man überzeugende Texte schreibt und macht’s selber (kostet nur Zeit und ist viel Arbeit).
Beide Varianten sind völlig legitim.
Die schlechteste Variante lautet: Bezahle einen Texter, der dann einen schlechten Werbetext abliefert. Das kostet nämlich Geld und liefert keine Ergebnisse. Absolute Verschwendung also.
Dass das auch großen Unternehmen passiert, zeigt folgendes Werbetext-Beispiel eines großen Autoherstellers.
Es war so: Auf der Suche nach einem neuen Auto landete ich auf der Webseite von Renault. Kann ja mal passieren. Was nicht passieren sollte, ist die Art von Text, die ich dort entdeckte. Und deshalb dient das Gefundene jetzt hier als Beispiel für einen schlechten Werbetext.
Denn beworben wird gar nichts. Es handelt sich lediglich um eine Aneinanderreihung von hohlen Gemeinplätzen, die dem Kunden nichts sagen. Geschweige denn verkaufen.
Da ich aber davon ausgehe, dass Renault seine neue Ausstattungslinie „Initiale Paris“ sowohl bewerben als auch in der Folge verkaufen will, bleibt festzuhalten: Setzen sechs!
Aber sehen Sie selbst:
Na, schon ganz heiß drauf, ein Auto mit Initiale-Paris-Ausstattung zu kaufen? Nein?
Dabei bietet der Text doch so viele Verkaufsargumente.
Ok, und jetzt ohne Ironie. Schauen wir uns den Text im Einzelnen an und untersuchen ihn anhand von Maßstäben für erfolgreiche Texte.
Klarheit ist das Wichtigste im Marketing. Egal, was Sie verkaufen: Der Kunde muss verstehen, was Sie anbieten und was das mit ihm zu tun hat.
Viele Texter (oder häufig deren Auftraggeber) denken jedoch, Cleverness, Kreativität und eine blumige Sprache seien wichtig. Ich kenne sogar Berufskollegen, die damit werben, Werbetexte voller Wortspiele zu erstellen. Das alles dient jedoch nur der Selbstbeweihräucherung und hat nachweislich keine Verkaufswirkung, wenn nicht vorher für Klarheit gesorgt wird.
Denn der Text ist für den Leser (Kunden) da und nicht für das Unternehmen oder den Texter. Wenn für Klarheit gesorgt ist, darf die Kreativität folgen. Nicht umgekehrt.
Haben Sie jemals ein Auto gekauft, weil ein Text so kreativ geschrieben war? Vermutlich nein. Wichtig ist also vor allem anderen, dass man als Kunde weiß, worum es geht.
Und hier versagt der schlechte Werbetext von Renault auf ganzer Linie.
Der erste Satz ist noch der beste, denn er sagt schlichtweg, dass Initiale Paris eine Ausstattungslinie bezeichnet, die einen hochwertigen Eindruck macht. Ganz einfach.
Man nennt es jedoch nicht schlicht „Bezeichnung“, sondern Signatur. Klingt ja auch viel doller, gell?
Und dann folgt Worthülse auf Worthülse auf Worthülse ...
Echte Aussagen? Fehl am Platz.
1. Abschnitt:
2. Abschnitt:
3. Abschnitt:
4. Abschnitt:
5. Abschnitt:
6. Abschnitt:
7. Abschnitt:
Kurze Antwort: Das Angebot ist nicht ersichtlich.
Ich erfahre nicht, was die Ausstattungslinie bietet. Einen Schaltknauf aus Ebenholz-Imitat? Ein Armaturenbrett aus Walpenis-Leder? Mundgeklöppelte Bedientasten, gefertigt im Nordosten der Südmandschurei? Auch, was mich der Spaß kostet, erfahre ich nicht.
Ich weiß nur: Es sieht hochwertig aus. Prima. Das haben Premium-Ausstattungen aller Hersteller so an sich.
Das einzig Konkrete ist die Erwähnung von Nappa-Leder. Ich weiß nicht, wie’s Ihnen geht, aber das ist ein bisschen wenig, um mich heiß zu machen.
Statt zum Punkt zu kommen, wiederholt der Text Abschnitt um Abschnitt denselben uninteressanten Blubber.
Leider habe ich vergessen mitzuzählen, wie oft mir das Messer in der Tasche aufging, als ich den Text las. Ständig dachte ich „Ja? Und? Und? UUUUNDDD?????“
Und nichts.
Warum macht ein großer Autohersteller so etwas?
Die Antworten „Zu viel Marketing-Budget und deshalb einen Schwurbelschreiberling angeheuert“ und „Zu viele Kunden, daher soll der Text keine neuen anlocken“ habe ich verworfen.
Viel wahrscheinlicher ist der ständige Drang, ein Alleinstellungsmerkmal zu suchen. Der Automobilsektor ist umkämpft. Während es durchaus regelmäßige Innovationen gibt, können diese nicht mit der Erscheinung von Fahrzeugmodellen und Ausstattungsvarianten mithalten.
Also wird zwanghaft versucht, das Besondere, Außergewöhnliche hervorzuheben. Auch wenn da gar nix ist.
Das funktioniert aber nicht, indem man einen Text nach obigem Muster schreibt. Das Muster lautet verkürzt:
Ich bin außergewöhnlich.
Ich bin exquisit.
Ich bin ganz toll.
Ich bin das Beste, das je da war.
Ich bin wirklich sehr, sehr gut. Wirklich. Echt jetzt.
Ich bin auch außergewöhnlich. Und toll.
Eigentlich bin ich grandios. Magnifique geradezu.
Super. Ja, das beschreibt mich. Und außergewöhnlich. Ja, außergewöhnlich.
Fan-tas-tisch. Hervorragend.
Und falls Sie es vergessen haben: außergewöhnlich.
Wahre Wohlfühl-Atmosphäre, maximaler Komfort und hochwertige Ausstattung sind Begriffe ohne Bedeutung. Ganz einfach, weil jedes Unternehmen sie überstrapaziert und weil sie auch für jeden Leser etwas anderes bedeuten. Es wäre ein leichtes, die einzelnen Materialien zu nennen. Und statt zu sagen „hochwertig“ wäre ein sensorisches Adjektiv angebracht. Jaguar beschreibt sein Sitzmaterial z.B. als „handschuhweiches Leder“. Zwar wird auch dieser Begriff häufiger in der Automobilbranche verwendet, er ist aber immer noch interessanter, emotionaler und konkreter als „hochwertig“.
2. Der Text kommt nicht zum Punkt
An den „Aussagen“ oben kann man erkennen, dass dieser Text immer und immer wieder dieselben Schwurbeleien durchkaut.
3. Der Text benutzt peinliche Ausdrücke
„Wahre Wohlfühlatmosphäre“ ... Wirklich? Das „wahr“ kann man sich schon mal ganz schenken. Oder gibt es in anderen Autos auch unwahre Wohlfühlatmosphäre?
Oder das tolle Wort „Wohlfühl-Technologien“. Äh, bitte wie? Was soll das sein? Wenn es so etwas wirklich gibt, DANN ERKLÄRT ES DOCH BITTE.
4. Der Text redet zum Kunden, nicht mit dem Kunden
Der Leser wird nicht direkt mit „Sie“ angesprochen und bleibt allgemein. Ein Satz wie „Fahrer genießen ein Wohlfühlpaket“ (der schon scharöcklich genug ist) wäre ganz leicht umzuwandeln in „SIE bekommen ein Wohlfühlpaket oder Genießen Sie das Wohlfühlpaket ...)
5. Der Text liefert keine Begründung für Aussagen
Auch ich kann behaupten, ein Auto gebaut zu haben, das höchsten Ansprüchen genügt. Glaubt mir aber keiner, wenn ich es nicht begründe.
6. Der Text hat keine Handlungsaufforderung
Am Ende fehlt ein einfacher Call-to-action. „Jetzt die Broschüre bestellen“, „Hier klicken und Probefahrt vereinbaren“, „Hier klicken für die 360°-Ansicht des Innenraums“. Was weiß ich. Irgendetwas halt. Ist ja auch nicht so schwer. Denn warum wurde der Text geschrieben? Noch einmal: Vermutlich, weil er die Leser neugierig machen soll, weil er sie emotional berühren soll. Weil er den Leser zu irgendetwas animieren soll. Das alles kann dieser Text nicht.
Dieses Beispiel für einen schlechten Werbetext zeigt deutlich: Marketing wird immer noch missverstanden. Dass solche Texte keine Ergebnisse liefern, ist klar.
Vielleicht merken es irgendwann auch die Chefs bekannter Unternehmen: Es kommt nicht darauf an, große Worte zu benutzen (Premium, Wohlfühl-Technologie, edle Materialien).
Die sagen nichts. Erzeugen also auch keine Emotionen. Dann doch lieber einfache Worte, die der Leser versteht und die etwas bewirken.
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Mein Name ist Christian Krauß. Ich bin Texter, Lektor und Kommunikationsliebhaber. Ich unterstütze Unternehmen bei Ihrer Kommunikation mit dem Kunden. Ganz gleich, ob professionelle Webseiten, überzeugende Texte oder ansprechend gestaltete Werbemittel: Gute Werbung ist kein Privileg großer Betriebe. Wenn man sie entsprechend gestaltet, ist gute Kommunikation einfach, überzeugend und bezahlbar. Und sie macht Spaß!