Für mich ist Kommunikation weit mehr als eine kluge Art, um Dinge zu verkaufen. Sie ist im Endeffekt nicht weniger als ein Mittel der Selbsterkenntnis. Wie wir kommunizieren, beeinflusst unser Verhältnis zu uns selbst und unserer Umwelt sehr viel stärker als wir denken.
Es gibt ein paar Schlüsselwörter, die wir alltäglich benutzen, deren übermäßiger Gebrauch immer auch etwas über unser Verhältnis zum Leben als solches verrät – und ohne die wir vermutlich erfolgreicher und besser kommunizieren können.
Die Frage nach der Schuld wird vermutlich gestellt, seit Menschen sprechen können. Müll liegt unachtsam weggeworfen auf der Straße, der Server, auf dem meine Webseite gehostet ist, ist nicht erreichbar, es fängt plötzlich an zu regnen, der Abteilungsleiter staucht seine Mitarbeiter zusammen. Und immer wollen wir wissen, wer Schuld hat. Das (bzw. mein) Problem damit ist, dass Schuldzuweisungen nur die „Schnelllösung“ sind. Die Amerikaner benutzen dafür gerne den schönen Begriff „quick fix“. Darin schwingt im Gegensatz zum deutschen Ausdruck besser mit, dass die schnelle Lösung nur scheinbar das Problem beseitigt. So ist es auch hier. Man macht es sich in mehrfacher Hinsicht sehr einfach, weil wir so nicht besser kommunizieren, sondern meist gar nicht.
Beziehe ich Schuld auf mich, mache ich mich handlungsunfähig, zum Opfer. „Schuld sein“ heißt im Endeffekt ja nichts anderes, als gegen bestimmte Regeln verstoßen zu haben, obwohl es eine andere Wahl gegeben hätte. Nun ist es in dieser Welt ja selten möglich, die Zeit zurückzudrehen. Und wegen dieser nicht unerheblichen Tatsache, habe ich de facto im Hier und Jetzt keine andere Wahl (mehr). Schuld lähmt also. Denn einmal als Schuldiger identifiziert, ist die Beschäftigung mit dem Thema in der Regel abgehakt.
Erkläre ich andere für schuldig, bin ich selbst fein raus. Ein Sündenbock ist gefunden und das Leben kann weitergehen. Ende des kommunikativen Aktes. (Zur Erinnerung: Wir betrachten das Ganze
unter dem Aspekt „besser kommunizieren“) Andere schnell für schuldig zu erklären, ist in doppelter Hinsicht nicht konstruktiv: Nicht nur schließe ich jede Beteiligung am fraglichen Problem aus,
ich lenke auch insgesamt von mir ab. Durch die Überhöhung der Schuld des anderen verblasst die eigene Persönlichkeit … Sehr praktisch, wenn man sich möglichst wenig mit sich und seinen Gefühlen
beschäftigen will. Da besser kommunizieren aber voraussetzt, dass der Sender, die Botschaften, die er sendet, bestenfalls versteht, sollten sie dem eigenen Erfahrungsschatz, Wissensbestand und
Gefühlsleben entspringen.
Natürlich fordere ich nicht, dass man aufgrund obiger Überlegungen anderen einfach Schaden zufügen dürfen sollte. Statt „Schuld“ finde ich aber „Verantwortung“ viel besser. Kommunizieren wird so im besten Fall zu einem konstruktiven Akt.
Am Beispiel von Politikern lässt sich das leicht nachvollziehen: Was, wenn herauskommt, dass ein Politiker Spendengelder veruntreut hat? Fordern die Menschen, dass er sagt: „Ich bin schuldig“ und dann weitermacht, als wäre nichts gewesen oder dass er Verantwortung für seine Taten übernimmt? Gleiches gilt doch auch im täglichen Umgang.
Verantwortung übernehmen heißt handlungsfähig bleiben. Man hat Mist gebaut, aber man lähmt sich nicht. Oder anders: Wenn man dem Sprichwort „Aus Fehlern lernen wir“ Glauben schenken will, funktioniert das nur mit Verantwortung.
Wer also wirklich besser kommunizieren möchte, ganz gleich ob im beruflichen oder (vor allem) im privaten Umfeld, sollte einmal darauf achten, wie oft er das Wort und das Konzept der Schuld benutzt. In diesen kleinen Erkenntnissen steckt oft großes Veränderungspotenzial.
Autor: Christian Krauß