Was ist uns kreative Arbeit Wert?
Zu unterschiedlich sind die Vorstellungen alleine davon, was kreative Arbeit ist. Das grundlegende Problem für viele Unternehmer, die in die Verlegenheit kommen, Kreativität zuzukaufen, ist die Tatsache, dass nur das Materielle, das Sichtbare zählt.
Ein Logo-Entwurf ist im Endeffekt für ihn nur ein Logo. Dass darin Konzeption, Nachdenken, Gestalten, Abändern, Optimieren steckt (abgesehen von den Betriebskosten des Grafikers), wird selten berücksichtigt und so wirkt der zu zahlende Preis zu hoch.
Ein kleines Beispiel sollte Klarheit verschaffen ... Ja, es geht um Schnitzel.
Stellen wir uns vor, Herr Friedrichs (Name nicht abgeändert, da erfunden) geht in ein Restaurant. Ein Freund hat ihm vom Wiener Schnitzel vorgeschwärmt, das er nun probieren möchte. Auf der Karte sieht er, das Schnitzel kostet mit Pommes Frites und Salat 16,90 Euro. Der Kellner spürt den Unmut und bietet ihm kostenfrei eine Portion Bohnen im Speckmantel dazu an, da diese gerade frisch gemacht wurde. Naja. Man gönnt sich ja sonst nichts, denkt Herr Friedrichs und bestellt. Schließlich kennt er sich mit Kochen sehr gut aus, denn er isst ja so oft.
Als das Schnitzel serviert wird, ist er enttäuscht. Das ist ja nur ein Schnitzel mit Beilagen! Offensichtlich hat Herr Friedrichs völlig vergessen, dass es genau das war, was er bestellt hatte. Aber irgendwie ist er davon ausgegangen, dass er für den Preis doch mehr erwarten dürfe. Egal. Er äußert also seinen Unmut beim Kellner: „Das Schnitzel hatte ich mir knuspriger vorgestellt.“ Der Kellner nimmt den Teller zurück, sagt in der Küche Bescheid, dass das Essen neu gemacht werden solle. Dieses Mal aber bitte knuspriger.
Doch oh Schreck! Als der Kellner ihm den neu angerichteten Teller mit knusprigerem Schnitzel hinstellt, fällt Herrn Friedrichs auf, dass sich doch arg wenig Pommes Frites auf dem Teller befinden. Die Anzahl hatte sich zum ersten Teller nicht geändert, aber für den Preis – so denkt er spontan – darf man ja wohl mehr verlangen. Was er auch tut.
Gesagt, getan. Auf dem neuen Teller befinden sich nun also ein neu gebratenes Schnitzel (knusprig!), eine große Portion frischer Pommes Frites, die Bonus-Bohnen und der Salat. Doch gerade letzterer ist Herrn Friedrich ein Dorn im Auge. Durch die Vinaigrette auf dem Teller saugen sich die Pommes ja ganz voll! Also schnell mal beim Kellner Bescheid sagen, denn der – so weiß der clevere Herr Friedrich – hat nichts anderes zu tun, als sich nur um ihn zu kümmern. Wenn Kunden wie er nicht wären, hätte der Kellner schließlich keinen Job. Und dass der Kunde König ist, kann man diesen jungen Schlawinern nicht oft genug verdeutlichen.
Teller Nummer 4: Knuspriges Schnitzel, große Portion Pommes, Bohnen und Salat auf einem gesonderten Teller. Das darf doch nicht wahr sein: Im Salat befinden sich weder Croutons noch angeröstete Pinienkerne (zuvor auch nicht, aber es fällt ihm eben jetzt erst auf)! Muss man denn heutzutage jedem Koch erst erklären, wie man richtig kocht? Außerdem ist Herrn Friedrichs eingefallen, dass er Bohnen sowieso hasst. Er ist stinksauer. Und das ist natürlich verständlich, denn Herr Friedrichs ist ja – wie oben erwähnt – ein Kochexperte, weil er täglich mehrfach Nahrung zu sich nimmt ...
Da er sich so sehr geärgert hat, beschließt Herr Friedrichs, sich den Inhaber des Restaurants an den Tisch zu zitieren. Kann ja wohl nicht sein, dass ihm der Tag versaut wird und er für 1 (in Worten: ein!) Schnitzel, bei dem alles schiefgelaufen ist, was nur schieflaufen kann, 16,90 Euro bezahlen soll.
Er hatte hier ja wohl den Stress. Der Inhaber ist allerdings ein ziemlicher Stinkstiefel. Der beharrt doch, frech wie diese jungen Chefs heutzutage sind, darauf, dass Herr Friedrichs den vollen Preis zahlen solle und erinnert ihn daran, dass er genau genommen ja insgesamt sogar vier Portionen vorgesetzt bekommen habe, die ja auch ins Geld gingen. Außerdem sei das Schnitzel von bester Qualität, auf zahlreichen Online-Plattformen als „sehr gut“ bewertet und insgesamt äußerst beliebt bei der Kundschaft, weshalb der Preis gerechtfertigt sei.
„Das ist die Höhe! Am Imbiss bekomme ich ein Schnitzel mit Pommes und Salat für 4,90 Euro!!“ Herr Friedrichs verliert die Beherrschung, rauscht aus dem Lokal und geht in den Imbiss, um sich dort ein frittiertes Formfleisch-Schnitzel einzuverleiben. Teller Nummer vier wandert im Restaurant unterdessen in den Müll ...
ENDE
Was soll das Ganze?
Nunja, Tatsache ist, wenn wir von Schnitzeln (oder anderen materiellen Dingen) sprechen, kommt uns dieser Umgang unpassend, ja, unverschämt vor. Vermutlich käme niemand auf die Idee, Herrn Friedrichs in diesem Fall in Schutz zu nehmen. Traurige Realität ist aber, dass sich viele Kreative häufig dieser Mentalität gegenüber sehen. „Geiz ist geil“ mag aus der deutschen Werbung verschwunden sein, in den Köpfen ist es noch präsent.
Es ist erstaunlich, dass bei der ganzen Schnäppchenjagd nicht nur selten auf Qualität geachtet wird, sondern dass selbst hochwertige Produkte, die ein einmaliges Preis-Leistungsverhältnis haben, nicht als solche erkannt werden und man, bildlich gesprochen, lieber 15 Mal ein Wegwerfprodukt à 3 Euro kauft, als einmal 20 Euro für etwas Hochwertiges auszugeben. Ich bin kein Mathegenie, aber ich habe eine Tendenz, was ich für sinnvoller erachte.
Autor: Christian Krauß